Unsere Institutionen sollten nicht unsere Weltsicht bestimmen – sondern umgekehrt. Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel. Und es Zeit für Reformen – damit unsere Institutionen diesen Paradigmenwechsel auch unmittelbar widerspiegeln können.
Die letzten Jahrzehnte – eigentlich aber schon die Zeit seit der Französischen Revolution – waren geprägt von einem Glauben an die Plan- und Machbarkeit von fast allem und jedem durch Staat und Wissenschaft, Bürokratie und Technologie.
Der damit verbundene Fortschrittsglauben ging einher mit einem starken Glauben an ökonomischen und wissenschaftlichen Materialismus. (Und damit auch an Quantität vor Qualität…)
Sowohl Staat als auch Wissenschaft sind aber im Grunde auch kollektivistisch ausgerichtet. Das wiederum drückt sich nicht zuletzt in einem starken Glauben an Gesetze aus: vor allem im Rechtsstaat, aber auch in der Wissenschaft. (Außerdem orientiert man sich immer weniger am Sinn, immer mehr am Zweck der Dinge…)
Doch der Mensch, das Leben ist nicht objektiv. Jedes Individuum, jede Situation, jeder Moment ist einmalig. Es gibt also keine Patentrezepte zur Bewältigung von Problemen.
Auch Demokratie, Markt, Rechtsstaat (aber auch die empirische Wissenschaft) können keine perfekten Lösungen liefern! (Manchmal scheint „die Wissenschaft“ nicht viel mehr zu sein, als eine Abfolge von Modeerscheinungen. Zum Beispiel: http://diepresse.com/home/science/1286990/Die-Genetik-ist-tot-Lang-lebe-die-Epigenetik?_vl_backlink=/home/index.do)
Früher gab es absolute Herrscher und den absoluten Glauben an Gott – jetzt kann sich (bis zu einem gewissen Grad) jeder selbst aussuchen, woran er glauben will – dennoch oder gerade deshalb aber, bleibt fast alles eine Glaubensfrage.
Wir sollten vielleicht von einer meist eindimensionalen Dialektik zu einer mehrdimensionleren Ganzheitlichkeit kommen. Jetzt wird ja einerseits polarisiert – andererseits aber auch immer stärker nivelliert! Besser wäre es da, zwar möglichst fein zu differenzieren, sich zugleich aber auch um eine integrative Sicht der Dinge zu bemühen. (Herbert Pietschmann: „Unterscheide, ohne zu trennen; vereine, ohne zu egalisieren.“)
„IDEOLOGIEFREIE MITTE“
Das Zeitalter der Ideologien wird bald vorbei sein. (Ideologie hat viel mit Information zu tun. Auch das Informationszeitalter ist im Grunde längst vorüber.) Ideologie ist fast definitionsgemäß nie die GANZE Wahrheit – es ist meist eine Teilwahrheit zur Rechtfertigung partikularen Eigennutzes. Ideologie ist nicht an der Wahrheit interessiert, sondern vor allem am Zweck, den eine gewisse Sache für eine Gruppe von Menschen erfüllt! Ideologie ist nicht ganzheitlich: man interessiert sich nicht für Freiheit AN SICH, sondern für die eigene Freiheit usw. Es geht nicht um Prinzipien, sondern es wird mit zweierlei Maß gemessen – nicht zuletzt basierend auf einer „selektiven“ Wahrnehmung ( – um erst gar nicht in Gewissenskonflikte kommen zu müssen, werden die unangenehmen, unvorteilhaften Seiten einer Sache einfach von vornherein verdrängt!)
Ideologie polarisiert – und sucht dann Feindbilder, auf die die Schuld für alles Unerwünschte geschoben werden kann… Et vice versa – womit natürlich fast garantiert ist, dass ambivalente Probleme nie gelöst werden. (Im Gegenteil: manchmal schaukeln einander die entgegengesetzten Pole sogar gegenseitig auf – bis zum Fundamentalismus.)
Eine Alternative zur Ideologie wäre vielleicht ein „pragmatischer Idealismus“. Also eine nüchterne Bestandsaufnahme des Status Quo, die Formulierung (meistens natürlich nicht ganz erreichbarer) Ziele – und dann die ehrlich Bemühung, den Status Quo dem Wunschzustand zumindest ein wenig anzunähern… Die konkrete Politik findet letztlich ohnehin zumeist im Bereich der pragmatischen Mitte statt – wozu also muss man ständig unrealisierbare Extremforderungen (mit entsprechenden Unterstellungen gegenüber den politischen Gegnern) stellen?
„INDIVIDUELLE REVOLUTIONVON“: VON DEN ÄUSSEREN AUTORITÄTEN ZUR INNEREN AUTORITÄT?
Im Laufe der Geschichte haben die Menschen mehrfach ihre äußeren Abhängigkeiten gewechselt. Jetzt sind wir nicht mehr von Adel und Klerus, sondern eben von Konsum, Medien, Staat und Wissenschaft abhängig… Frei sind wir aber nicht.
Wäre es nicht Zeit für eine individuelle, „innere“ Revolution? Weg von all den äußeren – hin zur eigenen, inneren Autorität: zu Gewissen, Empfinden, gesundem Menschenverstand? (Statt Political Correctness, kollektiver Moralvorstellungen und intellektueller oder soziologischer Glasperlenspiele…)
Der Künstler Jonathan Meese fordert: „Keine Verantwortung abgeben!“ Das wäre vielleicht der Schlüssel: statt ständig mehr Rechte, Freiheiten und Leistungen von anderen zu verlangen, lieber gleich die eigene Verantwortung wahrnehmen. Und zwar von Kindheit an. (Und Kinder nicht mehr dafür belohnen, dass sie sich verstellen – sondern dafür, dass sie ihre eigene Rolle spielen.)
Nietzsche drückte es so aus: „Dem wird befohlen, der sich nicht selber gehorchen kann.“
PS: Individualismus sollte nicht mit Egoismus verwechselt werden. Im Gegenteil: wer einiger Maßen in sich selbst gefestigt ist, kann vielleicht sogar besser mit anderen mitfühlen – ihnen auf jeden Fall aber eher helfen! Haben wir derzeit nicht quasi ein „Kollektiv der Egoisten“? Könnte man stattdessen nicht lieber eine „Gemeinschaft der Individuen“ anstreben? Und sind nicht sowohl Wettbewerb als auch Kooperation fundamentale Bestandteile jeder Kultur – und Triebkräfte einer sinnvollen Entwicklung?
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